Meine Lieben,
ich brauche für das Ganze eine eigene Rubrik, deswegen hab ich mal ein neues Thema hiermit eröffnet.
Poetry passt einfach nicht unter Gedichte. Im Poetry geht es nicht um Allteterationen oder philosophische Dinge oder sonstiger Kram. Poetry ist völlig frei von Konventionen, da es nicht um das Geschriebene Wort geht, sondern wie derjenige es präsentiert.
Ich hoffe mal das das in Ordnung geht.
Gestern wars im Kurs ziemlich geil, weil unser Leiter einfach eine coole Socke ist, hat die gleiche Ausbildung gemacht wie wir und ist auch kaum älter als ich. Er hat uns ein paar Videos von Slammern gezeigt, wie man diese Texte umsetzen kann und hat uns auch mal erklärt, wie man als "Neuer" auf einer Gruppe mit Poetry an die Jugendlichen kommt ohne irgendwelche Akten von denen zu wälzen.

Zum Ende gabs wieder ne Runde Action Writing. Wir haben diesmal Themen gesammelt, was wir von Klienten gerne wissen wollen, daraus wurde ein Thema gepickt und dann wieder wahllos Wörter gesammelt.
So - nun noch, warum oben Ü18 steht. Jugendliche benutzen was gerne? Richtig - einen Fick-deine-Mutter-Slang und dieser spielt auch sehr oft in meine Texte mit ein und ich hoffe ihr seid nicht gleich abgestoßen. Poetry lässt jede Art von Sprache zu - auch eine gesellschaftlich nicht ganz anerkannte. ^^

So, aber nun zum Text.
Thema: Herkunft- Wer bist du?
Wörter: Egoschwein, Altruist, Geschlechterrolle, arrogant, extrovertiert, braunes Haar, bunt, humorvoll, Gefühl, Analsex

Wer bist du?

Chill mein Leben
bin hyperaktiv
Obermacker
humorvoller Plapperer
super Intellekt
grandios und perfekt

Bin Frau, bin Mann
gehöre keiner Geschlechterrolle an
Steh auf Rap
steh auf Rock
steh auf Pop

popp gern, popp viel,
popp mit Gefühl
popp oral, popp nicht anal-
sex ist wichtig
macht mächtig

Bin allein, bin ein Egoschwein
bin dumm, bin klug,
bin bunt, hab Wut
Bin Arschloch, arrogant
extravagant galant
charmant

Ich brauch mich nicht für die Welt interessieren
Bauch keine Hilfe, keinen Altruisten in meinem Leben
Brauch keinen Menschen, keine Liebe
keine Reime, keine Tiefe

brauch nicht schlank sein, nicht dick
nicht extrovertiert, nicht schick
brauch keine blonden
keine braunen Haare
brauch nur mich
und meine Gabe.

Ich bin mal so dreist und mache einen Doppelpost, weil das folgende privat entstanden ist und nichts mit dem Action Writing zu tun hat.
Paul (unser schnieker Kursleiter) ist so gut, dass der tatsächlich meine Schreiblust wieder geweckt hat mit dem Kurs.
Gestern saß ich in meiner Wohnung auf der Couch und musste einfach schreiben. Es ist einiges rausgekommen und ich feile ab und an noch an den Sachen.
Und wieder: Ich hoffe ihr seid von der Sprache nicht abgestoßen...

Thema blieb in meinem Kopf immer irgendwie die Herkunft und das Wer bist du? .
Damit das ganze nicht zu lang wird vom Beitrag her, trenne ich ab und zu den Text mit dem "/". Also in einer Zeile hier, stehen dann zwei eigentlich getrennte Zeilen aus meinem Buch.

Bin geboren / Verloren
Ging zur Schule / War nie ne Coole
Wohnte auf dem Dorf / Ein Ort
Ein Kaff, ein Loch voll Gesocks

Kanntest einen, kanntest alle
lebst falschen Patriotismus
liebst eher den Faschismus
wurdest eine braune Seele / im Osten
auf türkischen Kosten

Denkst nicht / lachst nicht / wütest / brütest
lästerst und nichts wird besser

Lebst vor dich hin / Papa sieht auch keinen Sinn
Saufen, rauchen / Papas Töchter brauchen´s

Kaff, Loch, Siff und Gesocks
Mit Schloss, mit See / mit Touris, mit Arge
Liebst es für Oma

Oma / Die beste, die tollste / die einzige, die Stolze
Ihr Enkel - der Junge mit den roten Haaren
mein Bruder, Name: Stefan
Ein kluger, ein cooler kleiner Sack
intelligent und gemocht. Ich? Verkack´s.

Schwarzes Schaf mit lauter Stimme
rotes Haar und Scheiße im Sinn, ne?
Dick und groß und burschikos
Versager / Beklager / Verdammter / und Schlägertante
Mach Angst, hass alles / bin wütend und wills anders
Trauriges Mädchen und sensibel / Draußen Hart und penibel

Freunde / Falsche Freunde / Russen-Freunde / Wenig Freunde /viel Freude
Umzug
Falsche Freunde / braun sein schon aufgegeben
Versager / Anklager / Faulänzer, Gangster / Schwänzer, Aus-der-Reihe-Tänzer
Pause

Zurückspulen und reflektieren
Stopp drücken und analysieren
Kopf schütteln und pikieren
Jetzt über Alk sinnieren

Alkohol / Alkohol-Trinker / Alkohol-Liebhaber / Alkoholikerin
Trinkfest auf jedem Trink-Fest
Alki-Familie / Hängengebliebene
Bier
Der Geruch bringt mich zum Kotzen
Würgt die Vergangenheit hoch
Ekel / Hass / und voller emotionalem Ballast

Gefickter Kopf / vollgestopft / voll Wut / kaum Mut
Quell über mit Rache / mit Hass und mache

Nichts. / Hirn gefickt, Seele gerippt / Herz versifft

Optimismus und Freunde / Liebe und Zäune / die niedergerissen sind
emotionsbekifft, emotionsverstrickt / fickt das Hirn

Aufgefangen / Sinn gegeben
und infiziert / mit pädagogisch suspektem, konsequentem / von jeder Logik getrenntem

Bald ein Ende / Bald die Wende / nasse Hände und geschmückte Wände
Auf Wiedersehen ihr Idioten / bekloppte Dozenten - ooops - verboten
Macht´s gut ihr Frühaufsteher / Zuspätkommer, Liebende, Zicken, Tussi´s / und Knubbi´s

Cést la vie ihr Chiller, Rapper / Freunde, Kollegen und Kiffer
Baut die Stadt auf / Macht sie bunt
Ich komm euch besuchen / also bleibt gesund

Also ich könnte so was auch nicht....alleine auf die Idee zu kommen solche Dinge zu "texten", die eigentlich beim ersten lesen (für mich) keinen Sinn ergeben, aber beim zweiten dritten Mal eigentlich doch schon was aussagen.
Man meint es passt nicht zusammen, aber wenn man es wieder liest, ergibt es doch einen Sinn.

Danke für eure Kommies! Freut mich echt. Hab im Poetry echt meine Art von Schreiben gefunden.
Letzte Woche ging aber gar nichts. Hatten das Thema: Definiere dich über das Thema Musik. Wir hatten 15 Minuten und ich habe rein gar nichts zu Papier gebracht. Ich war extrem gefrustet und genervt von mir selbst, weil ich meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden bin.
Erst am Tag danach konnte ich schreiben, hab aber an dem Text über vier Tage immer wieder geschrieben. Ich schreib den auch demnächst hier rein, aber nun erst noch einer von mir, den ich in der Freizeit geschrieben hab.

Wer ich bin - im Sinn?/
Ein Geist, quälend und dreist/
Wer ich bin - im Ganzen?/
bald ein Dienstleister, noch mit Ranzen/
Wer ich bin - im Hirn?/
Eine Vollzeit-Egosau/ mit Nebenjob als Für-jeden-zu-haben-Frau/
Wer ich bin?/ Ach, fick dich/ Das bin ich/

Vollgestopft mit Gewalt, Potenzen und dem Anblick eines aufgeschlitzten Frosches/
Außen grün, innen ein Gemisch aus rot, weiß und braun/
Frösche als in sich gekehrter Nazi-Abschaum/
Ich hasse Nazis und nun auch Frösche/

Das bin ich/
Verkorkst, rede Quark, springe in Gedanken/
und stehe nun beim tanken/
vor dem Tv/ Hirnsprit holen/ Hartz IV -Tv schau´n/
Nachrichten, Maischberger, Neues aus der Anstalt/
weiter mit Stubbe und Extra 3/ Tv Total und Frauentausch sin´auch dabei/

Ich guck kein Fern/ Un´des bin ich gern/
Ich lüge um zu texten/ Und übertreibe auch beim nächsten/
Ich weiß wer ich bin/
Gelogen/
Hab euch betrogen/
Ich weiß es nicht/ Ich weiß nichts/ Ich weiß/
Das ist wahr/ Weiß wie Weißbrot/ sterb in der Sonne immer´n klei´n Tod/

Ich hasse Rassisten/
Gehöre zu den Masochisten/
Werde aggro und pissig/
Tick aus und meine gut aufgebaute Mauer wird rissig

Bin sogar Mauerkind/ ein Ossi/ ein Wossi/
ein Deutscher mit DDR-Eltern und Stasi-Akte/
Ich kann alles - auch hochdeutsch/
kein Sachse, Berliner oder Thüringer/
Bin Schweriner/ ohne Stolz/
Dick mit viel Holz/ vor der Hütte/
oder neudeutsch mit großen Titten

Ich ist der Spiegel von euch/
Ich denke, fühle und reagiere durch euch/
Wer ich bin?/
Sag du es mir/
Öffne die Schublade/ hol mich raus und erzähl/
Streichel mein Ego oder fick mein Selbstwertgefühl

Ich lache und danke/
und gehe und sage/
Ich komme wieder - keine Frage

[19.05.2011]

Ich finds toll, dass es euch gefällt. Das treibt an. =)
So, auf dem Heimweg irgendwo zwischen Hamburg und Hannover auf dem Weg nach Heidelberg kam folgendes zustande:

Heimat

Hab die Welt
- meine Welt
kurz mal angehalten
hab abgeschalten
ließ andere ihres verdammten Amtes walten
gehörte wieder zu den Dorfgestalten

Ungeschminkt und barfuß
ich sag´s euch – das war´n Genuss
in Hochwasserjogger und Shirt
ohne Konventionen – ohne Großstadt-Dirt
ohne Lärm, ohne Enge
ohne Gewusel, ohne Shopping-Gedrängel
Mitten auf dem Land
ohne S-Bahn, ohne Freibad-Strand
Flaches Land, keine Berge
Gras zwischen den Zehen – ohne Scherben

Die Zeit steht still
Die Welt hält an
Dein Kopf ist frei
Du genießt und schweigst

Hörst zwitschernde Vögel und meckernde Schafe
Siehst blauen Himmel und verfressene... Schafe
Läufst durchs Dorf auf blanken Sohlen
Siehst dich selbst von deiner Vergangenheit einholen
Es ist alles so bekannt
So fremd, verdammt

Du stehst im Osten, in meinem Heimatdorf
vor dem Tor zu meiner Welt, vor dem Haus, dass wir verlor´n
Es sind kurze Feldwege.
Manche asphaltiert,
manche kaputt,
manche vollgeschmiert
mit Erinnerungs-Schutt
mit so viel Freude
mit so viel Leid
Du vermisst manche Dinge
vermisst manche Erlebnisse

Schau auf die Bäume
Laubbäume
große Bäume
viele Träume
unzählig versäumtes
Lauf
Lauf einfach Richtung Schloss
verlassenes Heim, renoviert
neu aufgebaut, frisiert
nun mit Restaurant
Cheval Blanc genannt

Geh die Runde
geh vorbei an Park und Teich
geh zum Pferdestall
Meins war´s 6 Jahre
Kinderkrippe – Kinderstall
Früher spielte ich dort mit Puppen
aß zu viel, ab 4 nach Mutti gucken
Lass uns weiterziehen
Lass uns um den Parksee gehen
über Felder in den Wald
10 Minuten Natur – geballt
Kommst an´ner Lichtung an
Sydow-See vor dir
mein Ferien-Domizil
mein Sommer-Reiseziel

Von Mücken zerfressen kommst du zurück
Du kennst nun ´n Stück
´N Stück von mir
- aber nicht viel

Lass uns zurückschauen
Revue passieren
Lass und vorwärts gehen
zu einem kleinen Haus
unscheinbar und grau
in einer kleinen Straße
da lebt sie
- meine Oma
so viele Geschichten
soviel zu berichten
einfach pure Ruhe
Stillstand
Kind-sein
wieder Dorfmädchen mit Dialekt
wieder Enkelin mit Baby-Speck
wieder Dummheiten machen mit Menne
wieder lachen und durch die Gegend rennen

Hab die Welt
- meine Welt
kurz mal angehalten
hab abgeschalten
werde wieder meines Amtes walten
gehöre nun wieder zu euch SRH-Gestalten

Nicht schlimm
Bereu´s nicht
hatte euch auch vermisst
aber Heimat bleibt leider Heimat
ist so – in der Tat
kann die Herkunft nicht leugnen
bin Mecklenburger & Heidelberger mit Freuden.